@ugenblicke 20: Selbstverantwortung & Psychohygiene
Eigentlich sind wir Menschen heutzutage schon ziemlich gut, was unsere Körperpflege angeht: wir waschen, desinfizieren, bürsten & cremen, betreiben zumindest ein bisschen Sport, richten uns mehr oder weniger nach den neuesten Ernährungsempfehlungen. In der Folge haben frühere Infektionskrankheiten & Epidemien kaum eine Chance zurückzukehren – auch wenn sich parallel neue Varianten entwickeln.
Und wie sieht es mit unserer Psychohygiene aus? Unsere Seelen werden nach meiner Erfahrung eher stiefmütterlich behandelt, während auch unsere kognitiven Fähigkeiten durchaus gefordert & trainiert werden: unsere Hände waschen wir oft xmal am Tag, gleichzeitig sammelt sich in unseren Seelen eine große Bandbreite an Erfahrungen, Fragen, Konflikten & Kränkungen, die meist unbearbeitet bleiben. Maximal erzählen wir nahestehenden Menschen von unseren Belastungen, und manch findiges, interessiertes Gegenüber bietet dazu eine Meinung oder auch Analyse an – wunderbar!
Nur sind wir nach solchen Gesprächen ja nicht gleich munter & guter Dinge – im Gegenteil wird oft der Schmerz nochmal aufgewühlt, ohne am Ende Linderung zu erfahren. Neurophysiologische Befunde zeigen, dass das wiederholte Erzählen schrecklicher Erlebnisse die Bereitschaft des Nervensystems erhöht, Erfahrungen negativ zu bewerten – und umgekehrt: je häufiger wir uns positive Aspekte & Erfahrungen bewusst machen, desto leichter werden künftige Situationen als positiv empfunden.
Das hat damit zu tun, dass seelische Belastungen sich meist im Unterbewussten abspielen & der rationalen Analyse erstmal gar nicht zugänglich sind.
Die großartige Nachricht ist, dass Psychohygiene auch ohne detailliertes Verständnis der Entstehungsgeschichte funktioniert. So bewirkt zum Beispiel die abwechselnde, schnelle Berührung unserer rechten & linken Körperhälfte meist eine sofortige Reduzierung der gefühlten Belastung durch ein Thema oder eine Situation – Details finden Sie im @ugenblick 14 „Selbstcoaching durch Tapping“.
Gerade neulich durfte ich in einem Online-Coaching erleben, wie eine emotionale Belastung durch einen Anruf innerhalb weniger Minuten durchs erstmalige Tapping aufgelöst werden konnte – und zwar nachhaltig, wie sich Tage später zeigte: die Erinnerung lockt dem Klienten bestenfalls ein kleines Lächeln ins Gesicht, statt des vorherigen Herzrasens samt Atemnot.
Was also tun? Eine Möglichkeit unter vielen könnte sein,
– sich im ersten Schritt zu entscheiden, aktiv Verantwortung für unsere seelische Verfassung zu übernehmen
– im zweiten Schritt zu überlegen, wann an möglichst jedem Tag wir wie viele Minuten für unsere Psychohygiene aufwenden wollen
– aufrichtig zu bewerten, ob einfaches „Händewaschen der Seele“ reicht: das zeigt uns auch die Erfahrung mit der gewählten Methode (direkt hier in den @ugenblicken finden Sie eine bunte Auswahl an möglichen Selbsthilfestrategien) oder
– ob wir eine größere seelische Belastung empfinden, die wir allein nicht bearbeiten können oder wollen: dann sind Profis gefragt, die dafür ausgebildet sind, Menschen in seelischer Not zu begleiten & zu unterstützen: da die Titel „Coach“ und „Psychologe“ immer noch nicht geschützt sind, spielt sorgfältige Auswahl einer fundiert ausgebildeten Person mit großer Erfahrung auf diesem Gebiet eine besondere Rolle – umso mehr, je älter & hartnäckiger der „Schmutz“ unter unseren seelischen Nägeln ist
– erst am Ende der Liste von Psychohygiene-Möglichkeiten stehen psychiatrische & psychotherapeutische Behandlungen, die in den meisten Alltagsnöten nach meiner Erfahrung gar nicht gebraucht werden. Der angemessene Umgang mit psychiatrischen Erkrankungen und Lebensmüdigkeit geht allerdings über den Wirkungsbereich der reinen Psychohygiene hinaus und erfordert weitergehende professionelle Beratung und Behandlung.
Und genauso, wie Sie das Händewaschen nicht auf morgen verschieben, weil Sie grad keine Zeit dafür haben, sollten Sie auch in Sachen seellische Gesundheit meinem Motto treu bleiben:
„Wenn nicht jetzt – wann dann? Und wenn nicht Sie – wer dann?“
Viel Spaß & spürbaren Erfolg wünsche ich Ihnen!
Herzliche Grüße,
Ihre Jutta Nather